GEOTEST AG bringt ihre umfassende Naturgefahrenkompetenz in ein internationales Projekt zur Katastrophenvorsorge im indischen Himalaya ein. Im Fokus stehen Risikoanalysen, Frühwarnsysteme und die Umsetzung technischer Lösungen unter extremen klimatischen, topografischen und kulturellen Bedingungen.

Himalaya
N 27° 31' 58.698" E 88° 30' 43.984"

Zeitraum

AUSGANGSLAGE

Klimarisiken im Himalaya


Der Himalaya ist nicht nur das "Dach der Welt", sondern auch eine der weltweit sensibelsten und am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen. Steigende Temperaturen, instabile Gletscher, zunehmende Starkniederschläge und rasant wachsende Infrastrukturen in exponierten Lagen machen die Region besonders anfällig für Naturkatastrophen wie Gletscherseeausbrüche (GLOFs), Hangrutschungen und Sturzfluten.
 

Indien, als bevölkerungsreiches Land mit vielen Hochgebirgsstaaten, ist diesen Risiken in besonderem Maße ausgesetzt. In den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu schweren Ereignissen mit zahlreichen Todesopfern und großen wirtschaftlichen Schäden. Vor diesem Hintergrund haben die indischen und schweizerischen Regierungen gemeinsam mit internationalen und lokalen Partnern das Projekt zur Stärkung der Klimaresilienz und Katastrophenvorsorge in drei ausgewählten Bundesstaaten Indiens initiiert: Himachal Pradesh, Sikkim und Uttarakhand.


AUFTRAGgeber

Strategische Partnerschaften
 

Das Projekt wird im Rahmen des Programms „sSrengthening State Strategies for Climate Action“ (3SCA) umgesetzt, einer bilateralen Zusammenarbeit zwischen der indischen Regierung und der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
 

Die Federführung auf indischer Seite liegt bei der National Disaster Management Authority (NDMA) sowie den jeweiligen State Disaster Management Authorities (SDMAs). Auf Schweizer Seite koordiniert die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) – konkret ihr Globalprogramm Klimaänderung und Umwelt (GPCCE) – die Initiative. Die DEZA bringt dabei nicht nur finanzielle Mittel ein, sondern auch strategische Beratung, politische Vernetzung und fachliches Know-how, insbesondere aus der Schweizer Praxis zu integralem Risikomanagement (IRM), wie es etwa von PLANAT oder dem BAFU vertreten wird.


Die Umsetzung erfolgt in Zusammenarbeit mit einem Konsortium unter Leitung der GEOTEST AG, der Universität Genf, der Universität Zürich, GEOPRAEVENT AG und dem lokalen Partner CTRAN.


AUFTRAG

Risikoanalysen, Schutzmassnahmen und Projektmanagement


Als Konsortialführerin verantwortete die GEOTEST AG das Gesamtprojektmanagement, die technische Leitung sowie die operative Umsetzung zentraler Komponenten. GEOTEST war erste Ansprechpartnerin für die DEZA, koordinierte internationale Partner und sorgte für die fachlich fundierte Durchführung sämtlicher Aktivitäten in Sikkim, Uttarakhand und Himachal Pradesh.
 

Konkret umfasste das Mandat von GEOTEST:

  • Risikoanalyse

    Durchführung von GLOF- und Hochwasser-Risikoanalysen auf Basis aktuellster Fernerkundungs- und Modellierungsverfahren

  • Frühwarnsysteme

    Technische Planung, Beschaffung und Installation von Frühwarnsystemen (EWS) an zwei Hochrisiko-Gletscherseen in Sikkim

  • Evaluierung

    Evaluierung von strukturellen und nicht-strukturellen Schutzmassnahmen (z. B. Check-Dämme, Entleerungssysteme)

  • Bildungsworkshops

    Einbindung der lokalen Bevölkerung, insbesondere durch Trainings, Workshops und Simulationsübungen

  • Projektmanagement

    Berichtswesen, Monitoring und Kommunikation mit NDMA, SSDMA, DEZA und weiteren Stakeholdern

Diese Aufgaben erforderten nicht nur methodisches und technisches Fachwissen, sondern auch umfangreiche Erfahrungen in der Umsetzung von Projekten unter extremen Bedingungen in sensiblen Regionen. Die GEOTEST AG brachte hier ihre jahrzehntelange Erfahrung aus Projekten in der Schweiz, Zentralasien, Nepal und Pakistan ein.
 


KOMPETENZEN

Dienstleistungen aus einer Hand
  • Naturgefahrenmodellierung

    Anwendung internationaler Standards (z. B. GAPHAZ 2017) zur Szenarienentwicklung, Intensitätsmodellierung und Hazard-Zonierung für GLOFs

  • Geotechnische Geländeanalysen

    Erstellung von Stabilitätsmodellen für Moränendämme, Untersuchung von Permafroststrukturen (z. B. Shako Cho), Bodenanalysen

  • Sensorik und Monitoring

    Design und Aufbau von Wetter- und Wasserstandssensorik (AWWS, Drucksonden, Kameras), Datenübertragung via Satellit/Mobilfunk, Energieversorgung

  • Frühwarnsysteme

    Definition von Alarmschwellen, Integration in behördliche Entscheidungsprozesse, Alarmierungslogik (z. B. SMS, Sirene, Ampelsystem)

  • Projektkoordination

    Führung eines internationalen Teams, Koordination von Feldmissionen, logistische Planung, Beschaffung, Vertrags- und Finanzmanagement

  • Partizipation und Schulung

    Entwicklung lokaler Evakuierungspläne, Durchführung von Mock-Drills, Aufbau von "Communities of Practice" und Wissenstransfer in verschiedenen Formaten


HERAUSFORDERUNGEN

Individuell angepasste Lösungsstrategien


Folgende Herausforderungen wurden dank individueller Lösungen erfolgreich gemeistert:

  • Extremes Terrain

    Die Arbeitsorte lagen auf über 5.000 m ü. M., teils nur durch tagelangen Fußmarsch erreichbar, was eine flexible Planung unabdingbar machte

  • Kulturelle Sensibilität

    Shako Cho gilt als heiliger See – hier wurden alternative Installationsmethoden ohne Booteinsatz entwickelt (z. B. Bambusausleger)

  • Datenverfügbarkeit

    Historische Daten zu Gletscherentwicklung, Niederschlag und Bevölkerung waren begrenzt oder fragmentarisch

  • Institutionelle Fragmentierung

    Die Abstimmung zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen erforderte Fingerspitzengefühl und stete Vermittlung

Lokale Kultur
Ein besonders sensibler Aspekt des Projekts war die Installation des Frühwarnsystems am Shako Cho, einem als heilig geltenden See in der Region Sikkim. Die religiöse Bedeutung des Sees machte herkömmliche technische Maßnahmen wie den Einsatz von Booten oder schwerem Gerät im Wasser unmöglich, der der See nicht begangen werden darf.

GEOTEST begegnete dieser Herausforderung mit großer kultureller Achtsamkeit und innovativem Engineering. In enger Abstimmung mit lokalen Behörden, religiösen Autoritäten und der Dorfgemeinschaft wurde ein alternativer Ansatz entwickelt: Die Installation der Drucksonden erfolgte mithilfe von Bambusauslegern, die vom Ufer aus über das Wasser geführt wurden. Dadurch konnte der direkte Kontakt mit dem See vermieden werden. Alle Montageschritte wurden transparent kommuniziert, mit Segnungen begleitet und unter Beisein der Gemeinschaft durchgeführt. Zudem wurde bewusst auf nicht-invasive Methoden wie kabellose Datenübertragung, solarbetriebene Energieversorgung und kamerabasierte Fernüberwachung gesetzt.

Die erfolgreiche Umsetzung dieses sensiblen Projektteils zeigt einerseits, dass technische Lösungen und kulturelle Werte miteinander vereinbar sind und andererseits, wie wichtig der Respekt vor lokalen Gegebenheiten und der gegenseitige Dialog ist, um nachhaltige Lösungen zu erzielen.

Naturgefahren-Prozesse

Ein zentraler Aspekt bei der Risikobeurteilung in Hochgebirgsregionen ist das Verständnis der sogenannten Naturgefahren-Prozesse – also der Verkettung mehrerer Phänomene, bei denen ein Ereignis weitere auslösen kann. Diese Prozessketten wurden im Projekt bewusst mitgedacht und analysiert.
 

Am Beispiel des South Lhonak Lake zeigt sich, wie eine instabile Moräne durch starken Niederschlag oder Gletscherbewegungen versagen kann. Der plötzliche Ausfluss großer Wassermengen (GLOF) erzeugt eine Flutwelle, die flussabwärts – insbesondere bei engen, steilen Tälern – zu einem Tsunami-ähnlichen Effekt führen kann. Dieser reißt nicht nur Brücken, Straßen und Gebäude mit, sondern kann auch:

  • Hanginstabilitäten aktivieren (Rutschungen, Murgänge),

  • starke Erosion verursachen (Flussbettverlagerungen, Uferabbrüche),

  • Ablagerungen mobilisieren, die in späteren Regenereignissen erneut gefährlich werden.

Diese komplexen Prozesse wurden mithilfe von Simulationen, geomorphologischen Feldanalysen und Fernerkundungsdaten erfasst und bewertet. Das Wissen um solche Verkettungen bildet die Grundlage für präventive Maßnahmen – etwa durch mehrstufige Frühwarnsysteme, Monitoring an sensiblen Stellen und Pufferzonen in Gefährdungskarten.
 

GEOTEST hat mit ihrem interdisziplinären Ansatz dazu beigetragen, dass Naturgefahren nicht isoliert, sondern in ihrer systemischen Dynamik erfasst und bewertet werden.


ERGEBNISSE

Wirkungsvolle Resultate dank enger Zusammenarbeit


GEOTEST hat in enger Zusammenarbeit mit lokalen Partnern und unter schwierigen Bedingungen bemerkenswerte Ergebnisse erzielt:

  • Installation von zwei operativen Frühwarnsystemen an den Gletscherseen South Lhonak und Shako Cho

  • Bathymetrische Vermessung der Seen mittels Sonarboot und hochauflösenden Drohnen

  • Einbindung der „Lachen Tigers“, junger lokaler Helfergruppen aus der Region Lachen, für den Materialtransport in schwer zugängliches Gelände

  • Schulung von ITBP, NDMA und SSDMA, inklusive Betrieb, Wartung und Notfallkommunikation

  • Entwicklung eines EWS-Leitfadens zur Replikation, in Kooperation mit indischen und schweizerischen Fachexpert:innen

  • Langfristige Betriebskonzepte für Wartung und Finanzierung der Systeme wurden mit den Stakeholdern erarbeitet

Ein besonderer Erfolg war die erfolgreiche Neuinstallation nach dem GLOF-Ereignis am South Lhonak im Oktober 2023. Trotz zerstörter Zugänge konnte das neue System mit angepassten Sensoren und verbesserten Schutzvorkehrungen rechtzeitig vor dem Monsun 2024 wieder in Betrieb genommen werden.


Ausblick

Nachhaltige Lösung


Die installierten Systeme liefern heute Echtzeitdaten zu Wasserstand, Wetter und visuellen Veränderungen an den Seen. Diese Informationen fließen direkt in Entscheidungsprozesse der Katastrophenschutzbehörden ein. Durch die enge Einbindung der Stakeholder ist sichergestellt, dass das Wissen vor Ort bleibt und genutzt wird.
 

Im Rahmen der nächsten Projektphase (2024–2026) ist geplant:

  • die EWS in weitere Hochrisikogebiete auszuweiten,

  • strukturelle Schutzmaßnahmen (z. B. Check-Damm, Solarentleerung) umzusetzen,

  • landesweite Guidelines für GLOF-EWS auf Basis der Sikkim-Erfahrung zu finalisieren,

  • und ein zentrales Daten- und Visualisierungsportal für Indien zu etablieren.


SCHweiz

Anwendungsgebiet Alpenraum


Auch die Schweiz ist zunehmend mit Naturgefahren konfrontiert: Gletscherseeausbrüche, Murgänge, Felsstürze, Rutschungen, Lawinen oder Starkniederschläge treten häufiger und intensiver auf. Die Erkenntnisse und Lösungen aus dem Indien-Projekt lassen sich direkt auf den alpinen Raum übertragen.

  • Risikoanalysen und Gefahrenkartierungen nach neuesten Standards

  • Planung und Umsetzung von Frühwarnsystemen (z. B. für Wildbäche, Gletscherseen oder instabile Hänge)

  • Beratung und technische Begleitung von Schutzmaßnahmen

  • GIS-basierte Entscheidungsunterstützung für Infrastrukturbetreiber (Verkehr, Energie, Wasser)

  • Unterstützung in der Kommunikation von Risiken gegenüber Behörden, Bevölkerung und Medien

    HINWEIS AUF PLAINE MORTE-Projekt??

Auftraggeberin

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA

Referenzen

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